Bürgergeld verabschiedet

Bundestag und Bundesrat haben nach der Einigung im Vermittlungsausschuss am Freitag, dem 25. November 2022 die Einführung des Bürgergeldes beschlossen. Damit kann das Gesetz wie angekündigt zum 01. Januar 2023 in Kraft treten und das bisherige System ablösen.

Eine Einordnung von Simon Näckel
08. Dezember 2022 – Lesedauer: 5min

Neben der fachlichen und inhaltlichen Ausgestaltung muss an dieser Stelle allerdings zunächst auf den Ton und Duktus der Debatte eingegangen werden, wie sie in den letzten Wochen geführt und insbesondere von der Union initiiert wurde. Die Art und Weise wie über langzeitarbeitslose Menschen gesprochen wurde, deckt sich nicht mit unseren Erfahrungen aus der Beratungspraxis und lehnen wir zutiefst ab. Wenn Menschen, die schlicht ihren Rechtsanspruch geltend machen, unter Generalverdacht gestellt werden und ihnen Betrug an der Allgemeinheit unterstellt wird, dann ist das falsch und unlauter. In und mit der Debatte wurden die oftmals vielschichtigen individuellen Lebenslagen und Herausforderungen (wider besseren Wissens) ausgeblendet und herabgewürdigt. Das Signal, das von solchen Debatten an die betroffenen Menschen, darunter ca. 2 Millionen Kinder und Jugendlichen ausgeht, ist fatal. Aus unlauteren Motiven und politischer Kleingeisterei wurde eine Debatte frei von Sachargumenten angefeuert und vergiftet, die in ihrer Zuspitzung eine weitere gesellschaftliche Spaltung geflissentlich in Kauf genommen hat. Das steht im Widerspruch zum vielbeschworenen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Um es klar zu sagen: Dieses Verhalten ist inakzeptabel und unverantwortlich.
 
Politisch hatte die CDU/CSU das Bürgergeld bis zuletzt im Bundesrat blockiert, sodass das Reformvorhaben den Umweg über den Vermittlungsausschuss gehen musste. Die Union sah dabei insbesondere Änderungsbedarfe bei den Themen Vertrauens- und Karenzzeit, Schonvermögen und Sanktionen.

Zwar bleiben wichtige Kernelemente des Regierungsentwurfs bestehen, jedoch mussten die Regierungsparteien Zugeständnisse an die Union machen. Zu folgenden Punkte wurde ein Kompromiss gefunden:

Sanktionen sind nun auch in den ersten sechs Monaten möglich. Die Vertrauenszeit, die für Neuzugänge in die Grundsicherung im ersten Halbjahr gelten sollte, ist damit gestrichen. Eine Leistungskürzung im Falle einer Terminversäumnis oder einer Pflichtverletzung beginnt mit 10 Prozent und kann bei weiteren Verletzung auf 20 und dann 30 Prozent angehoben werden.  Die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs, das als ein Meilenstein der Bürgergeldreform gesehen werden muss, droht hiermit unterlaufen zu werden. Die Entwicklung muss hier genau im Auge behalten werden.

Das Schonvermögen wird auf 40.000 € (statt 60.000 €) für einen Ein-Personen-Haushalt abgesenkt; für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft sind es nunmehr 15.000 €, statt der geplanten 30.000 €. 

Abgesenkt wurde auch die Karenzzeit bei den Wohnungskosten. Statt der geplanten zwei Jahre, beträgt sie nur noch ein Jahr. Übersteigen die Wohnkosten danach den Grad der Angemessenheit, müssen die Betroffenen in günstigeren Wohnraum umziehen oder die restlichen Wohnkosten von den Regelsätzen tragen. Diese Lösung ist zu bedauern, da hiermit eine Drohkulisse aufgebaut wird, die eher zu einer Abwärtsspirale führt. 

Insgesamt ist es gut, dass das Bürgergeld und damit auch die Erhöhung der Regelsätze zum 01. Januar kommt. Der Ansatz geht in die richtige Richtung, da er auf die individuelle Weiterbildung, Qualifikation und Begleitung von Langzeitarbeitslosen setzt. Ein zentraler Punkt, den aber auch die Gesetzesreform nur in Teilen beeinflussen kann, wird ein konsequenter Wandel in der Beratungskultur der Jobcenter sein müssen. Hier wird sich das Prinzip Augenhöhe wie es von der Bundesregierung mit ihrem Entwurf kolportiert wurde stärker etablieren und bewahrheiten müssen. Die Debatte der letzten Wochen und die Änderungen am Reformentwurf waren hier leider eher nicht dienlich. 

Ansprechperson

Simon Näckel

+49 711-2633 1181

info@mach-dich-stark.net